Job wechseln – ja oder nein?

Unglücklich und überfordert im Job

Claudia ist unglücklich im Job. Vor einigen Jahren ist sie mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern noch einmal umgezogen. Die anschließende Jobsuche gestaltete sich aufgrund der Pandemie schwierig, so dass die Juristin letztendlich froh war, überhaupt eine Stelle zu bekommen.

“Eigentlich habe ich von Anfang an gemerkt, dass mich die Arbeit überfordert. Zu viel Arbeit und zu wenig Personal. Der Chef reagiert nicht auf die Überlastung und ich mache viel zu viele Überstunden, weiß nicht, wie ich die ganze Arbeit schaffen soll. Aber es ist nicht nur das. Dadurch, dass ich mitten in der Corona-Zeit gewechselt bin und direkt im Homeoffice war, habe ich kaum Kontakt zu meinen Kollegen gefunden. Mir fehlt dieses Miteinander, der nette Austausch so zwischendurch. Auch heute noch arbeiten viele von zuhause aus. Ich fühle mich nicht richtig angekommen und isoliert. Die Arbeit ist dadurch noch mehr eine Quälerei. Dazu kommt meine ständige Angst, etwas falsch zu machen und gekündigt zu werden. Am liebsten würde ich alles hinschmeißen und mir etwas anderes suchen, aber ich habe Angst vor einem Jobwechsel. Was ist, wenn es dort noch schlimmer wird? Und finde ich überhaupt einen Job, der zu mir passt?”

Welche Vor- und Nachteile hat ein Jobwechsel?

So wie Claudia geht es vielen Menschen. Die Arbeitslast nimmt weiter zu, die Anforderungen steigen, die Unzufriedenheit auch.  Doch ist es die richtige Entscheidung, gleich zu kündigen? Und wie wirkt sich das auf die Jobsuche aus? Wie häufig sollte man seinen Job wechseln, ohne das es Nachteile mit sich bringt.

Ein Jobwechsel kann viele Vorteile haben: Die Chance auf bessere Arbeitsbedingungen, höheres Gehalt, passendere Tätigkeitsbereiche, angenehmeres Arbeitsklima und eine bessere Work-Life-Balance sind gute Gründe für einen Jobwechsel.  Vor allem aber können wir etwas aktiv verändern und fühlen uns der Situation nicht mehr hilflos ausgeliefert.

Jedoch kann ein Jobwechsel auch deutliche Nachteile mit sich bringen: Eine berufliche Verbesserung ist nicht garantiert, die Jobsuche ist anstrengend und führt oft zu Verunsicherung. Mit der Zahl der erfolglosen Bewerbungen sinkt das Selbstvertrauen und die Unklarheit, wie es beruflich weitergeht, wird zur seelischen Belastung. Auch die Einarbeitung in den neuen Job ist eine Herausforderung. Am liebsten würde man den neuen Job gleich wieder kündigen. Nicht wenige tun das sogar.

Neuer Job, falsche Entscheidung?

Gerade wenn wir unter starken Selbstzweifeln leiden, ist es daher nicht einfach, zu entscheiden, ob es sinnvoller ist, den Job zu wechseln oder sich weiter durchzubeißen. Im falschen Job zu bleiben kann für unsere psychische Gesundheit und für das Selbstbewusstsein genauso schädlich sein, wie aus den falschen Gründen zu kündigen.

Jede berufliche Neuorientierung kostet Kraft. Jede abgelehnte Bewerbung wirkt sich negativ auf das Selbstbewusstsein aus und die Selbstzweifel steigen. Zudem kann es sein, dass wir mit einem Jobwechsel nur vom Regen in die Traufe geraten. Denn sehr häufig ist nicht der Job das Problem, sondern unser negatives Selbstbild.

Wer unter dem Impostor-Syndrom leidet ist nicht in der Lage, seine Fähigkeiten richtig einzuschätzen und traut sich in der Regel fachlich zu wenig zu. Und das Impostor-Syndrom ist häufig und wird oft erst spät erkannt. Fast jeder zweite kann betroffen sein. 

Wenn wir nur deswegen wechseln wollen, weil wir uns ständig fachlich überfordert fühlen und Angst davor haben, im Job schwere Fehler zu machen, so ist es sehr wahrscheinlich, dass wir diese Gefühle am nächsten Arbeitsplatz ebenfalls entwickeln werden.

Das Problem ist dann mit einem Jobwechsel nicht gelöst. Selbst wenn wir uns eine Tätigkeit mit deutlich weniger Verantwortung aussuchen, die uns zunächst nicht so überfordert, nehmen mit der Zeit die Verantwortungen und auch die Erwartungen des Umfelds zu. Über kurz oder lang werden die Betroffenen wieder vor dem gleichen Problem stehen und stellen sich erneut die Frage: Job wechseln ja oder nein?

Ist es also bei Impostor-Syndrom besser, im Job auszuharren?

Leider ist die Antwort nicht so einfach. Denn auch das Bleiben im falschen Job kann das Impostor-Syndrom verstärken. 

Wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen, die für eine berufliche Zufriedenheit wichtig sind (z.B. ein gutes Arbeitsverhältnis zu Vorgesetzten und Kollegen, ein angemessenes Gehalt, eine gute Arbeitsstruktur und eine sinnvolle Tätigkeit), macht dies unzufrieden und kann im schlechtesten Fall den Selbstwert angreifen und zu psychischen Erkrankungen führen.

Oft spüren wir, dass diese Art zu arbeiten uns nicht gut tut, wir scheuen aber einen Jobwechsel, weil wir Angst vor dem Bewerbungsprozess haben. Wie sollen wir denn andere von unseren Fähigkeiten überzeugen, von denen wir doch selbst nicht überzeugt sind? 

So wird die Entscheidung, zu gehen, immer wieder aufgeschoben, und die Betroffenen leiden, brennen körperlich und psychisch aus und trauen sich immer weniger zu, eine neue, passendere Stelle zu finden.

Wie können wir uns richtig entscheiden? Wann ist es besser, zu bleiben? Wann ist es besser zu gehen?

Gründe, den Job zu behalten

  • Ihre Kollegen und Ihre Vorgesetzten sind mit Ihnen zufrieden, Sie erhalten regelmäßig gutes Feedback. Dass Sie dennoch lieber kündigen würden, liegt vor allem daran, dass Sie Angst haben, die hohen Erwartungen irgendwann zu enttäuschen.
  • Sie bekommen mehr Verantwortung übertragen. Sie trauen sich diese nicht zu und denken daher über einen Jobwechsel nach.
  • Je mehr Sie gelobt werden, desto mehr fühlen Sie sich wie ein:e Betrüger:in. Sie überlegen, lieber zu gehen, bevor Sie sich so richtig kräftig blamieren.
  • Gegenüber Kunden fühlen Sie sich ständig unter Druck, einen bestmöglichen Eindruck zu machen. Diese Kundengespräche rauben Ihnen den Schlaf, obwohl es bisher noch nie Beschwerden von Kundenseite gab. Um dem Druck endlich zu entkommen, suchen Sie eine neue Stelle, bei der Sie sich nicht ständig beweisen müssen.

 

Wenn Sie sich in einem oder gar mehreren der oben aufgelisteten Punkte wiederfinden, rate ich Ihnen, nicht sofort den Job zu wechseln. Denn das Problem ist vermutlich Ihr Selbstbild, das gestört ist. Andere nehmen Sie deutlich kompetenter wahr. Und das wird wohl auch im neuen Job so bleiben.

Während Umgebung, Kollegen, Vorgesetzte, Kunden meist zufrieden mit Ihren Leistungen sind, fühlen Sie sich unfähig, haben Angst, die Erwartungen zu enttäuschen, und wollen daher lieber fliehen. 

In diesem Fall ist es jedoch sehr wahrscheinlich, dass Sie bald wieder in einer vergleichbaren Situation stecken werden. Hier ist es sinnvoller, am eigenen Selbstbild zu arbeiten, das Impostor-Syndrom anzugehen und Selbstvertrauen aufzubauen.

Gründe, den Job zu wechseln

  • Die Jobkonditionen (Arbeitsumgebung, Arbeitsstruktur, Bezahlung, Art der kollegialen Zusammenarbeit) entsprechen nicht dem, was Sie brauchen, um gut arbeiten zu können.
  • Inhaltlich macht Ihnen die Tätigkeit keinen Spaß. Was Sie tun, kommt Ihnen sinnlos und nichtig vor.
  • Sie können sich nicht mehr mit der Firma/dem Arbeitgeber identifizieren.
  • Die Zusammenarbeit mit Ihren Vorgesetzten gestaltet sich schwierig. Sie fühlen sich oft nicht gesehen und nicht wertgeschätzt.
  • Sie denken oft an einen Jobwechsel – was Sie jedoch zurückhält ist der Gedanke daran, sich wieder bewerben zu müssen
  • Sie haben Angst vor dem Neuen und davor, was dann auf Sie zukommen könnte und dass Sie doch sowieso dort auch wieder scheitern könnten.

 

Hier steht nicht so sehr die Angst, zu enttäuschen, im Vordergrund, sondern es passt in anderen wesentlichen Arbeitsbedingungen nicht. 

Selbst wenn Sie an Ihrem Selbstbild arbeiten und erkennen, dass Sie doch nicht so unfähig sind, wie Sie vielleicht dachten, bleiben die Arbeitsbedingungen dennoch bestehen.

Falsche Arbeitsbedingungen können das Selbstbewusstsein ebenfalls reduzieren. Wenn Sie sich zu sehr in Ihrer Persönlichkeit verbiegen müssen, um zu passen, bekommen Sie immer mehr das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Dabei liegt es gar nicht unbedingt an Ihnen, sondern am Arbeitskontext.

In diesem Fall ist es besser, zu kündigen und sich einen Job zu suchen, der Ihnen inhaltlich wie auch von der Arbeitsweise her besser liegt.

Eine Entscheidungshilfe für oder gegen den Jobwechsel

Wenn Sie so von Ihren Selbstzweifeln verunsichert sind, dass Sie sich und Ihre Beweggründe gar nicht richtig einschätzen können, so habe ich hier für Sie einen kleinen, aber sehr wirksamen psychologischen Trick: Stellen Sie sich vor, Sie hätten genug Vertrauen in Ihre Fähigkeiten. 

Wenn Sie die Garantie hätten, sofort eine neue, passende Stelle zu finden und die Probezeit gut zu überstehen – würden Sie dann noch bleiben?

Und umgekehrt: Wüssten Sie ganz genau, dass Sie Ihren jetzigen Herausforderungen gewachsen sind, würden Sie dann wechseln?

Was wäre wenn? Ein kleiner, aber sehr wirksamer Test, ob ein Jobwechsel das richtige ist für Sie.

Wenn alles dafür spricht, dass der aktuelle Job unpassend ist (weil die inhaltliche Arbeit, die Kollegen/Vorgestzten und/oder die Umgebungsfaktoren längst schon nicht mehr stimmen, und Sie nur aus Angst vor dem erneuten Bewerbungsprozess und der Probezeit haben, sollten Sie einen Wechsel in Kauf nahmen

Wenn dagegen eigentlich alles im aktuellen Job stimmig ist, Sie Sinn aus Ihrer Arbeit ziehen, sich bei Ihren Kollegen wohl fühlen, und die einzige Angst die ist, irgendwann die zunehmende Verantwortung nicht mehr zu schaffen und Ihr Umfeld zu enttäuschen, ist ein Wechsel die falsche Entscheidung.

Aber ganz egal ob ein neuer Job oder der alte: Das Impostor-Syndrom macht Ihr Leben schwer. Arbeiten Sie daran, Selbstvertrauen aufzubauen und Ihre Kompetenzen immer besser zu erkennen. Dann können Sie die für Sie passende Entscheidung treffen.