Impostor im Beruf

Das Impostor-Syndrom im Beruf

Thomas hat endlich gekündigt. Auf der vorherigen Arbeitsstelle hatte er es einfach nicht mehr ausgehalten. Die Gründe: steigende Anforderungen, zunehmender Druck, Gedankenkreisen, schlaflose Nächte. Irgendwann wurde es zu viel, und der Ingenieur  entschloss sich, die Reißleine zu ziehen, um nicht durch die Überlastung krank zu werden. Im neuen Job merkt er jedoch: Das Problem wiederholt sich. Innerhalb weniger Monate findet er sich wieder im gleichen Teufelskreis aus Leistungsdruck, Selbstzweifeln, Versagensängsten und Überstunden.

Denn nicht der Job ist das Problem – Er selbst ist es.

Thomas gehört zu den vielen Menschen, die unter dem Impostor-Syndrom leiden.

Das Impostor-Syndrom pirscht sich langsam und unbemerkt an. Mir war beispielsweise lange nicht klar, dass ich darunter leide. Zum einen habe ich erst spät von diesem Phänomen gehört (was gleichzeitig auch zeigt, dass nicht alle Ärzte das Impostor-Syndrom kennen). Zum anderen war ich gar nicht auf die Idee gekommen, dass meine Wahrnehmung mich täuschen könnte.

Die Überzeugung, nicht gut genug zu sein, sitzt sehr tief. So tief, dass die Betroffenen nicht in der Lage sind, durch ihre Erfolge mehr Sicherheit und Gelassenheit zu entwickeln.

Erhalten sie ein Kompliment, so denken die meisten: “Der wollte doch nur nett sein. So toll war meine Leistung doch gar nicht.” Eine Beförderung signalisiert in ihren Augen nicht, dass sie gute Arbeit geleistet haben, sondern verstärkt eher den Erfolgsdruck.

“Ich habe als einzige eine Gehaltserhöhung bekommen, obwohl ich noch gar nicht so lange dabei bin. Jetzt muss ich dem Chef und meinen Kollegen irgendwie beweisen, dass ich die auch verdient habe. Aber eigentlich habe ich das doch gar nicht.

Aussage einer Kundin im Coaching

Tiefstapler in Hochform

Was typisch ist für das Hochstapler-Syndrom: Erfolge werden selten auf die eigene Leistung zurückgeführt, sondern vielmehr auf Glück oder andere Faktoren beispielsweise politische oder diplomatische Überlegungen oder Sympathie. Wenn es darum geht, ihre Leistung kleinzureden, können Menschen mit Impostor-Syndrom sehr kreativ sein und finden eine Menge Ausreden, warum sie doch nicht so gut sind, wie andere vielleicht denken.

  • Prüfung bestanden? – “So schwer war die ja nicht und ich hatte Glück, dass nur das gefragt wurde, was ich wusste”
  • Eine gefragte Stelle ergattert? – “Das war sicher nur wegen der Frauenquote”
  • Eine Auszeichnung erhalten? – “Keine Ahnung, warum gerade ich die bekommen habe. Andere waren deutlich besser als ich und hätten sie viel mehr verdient.”

Menschen mit dem Impostor-Syndrom sind für ihre eigene Leistung blind. Und so erkennen sich nicht, was für andere offensichtlich ist: dass sie exzellent sind und Aufmerksamkeiten, Beförderungen, Gehaltserhöhungen und Komplimente zu Recht erhalten haben.

Es gibt keinen Grund, sich für das Impostor-Syndrom zu schämen. Es ist vielmehr ein Gütekriterium. Denn wo Impostor-Syndrom draufsteht, ist in der Regel jede Menge Kompetenz drin.

Michaela Muthig

Weil sie dies nicht wissen und vor allem nicht fühlen, versuchen die Betroffenen, ihre gefühlte Unfähigkeit durch mehr Leistung, Gewissenhaftigkeit und Wissenserwerb zu kompensieren. Und werden noch besser. Viele Menschen mit Impostor-Syndrom sind absolute Spitzenkräfte. Jeder sieht das, nur sie nicht.

Wenn der Druck stetig zunimmt

Wenn Sie unter dem Impostor-Syndrom leiden, so wird der Berufsalltag oft zu einer wachsenden Überforderung. Die Verantwortungen werden mehr. Sie werden immer häufiger von Kollegen um Rat gefragt. Vorgesetzte übertragen Ihnen wichtige Aufgaben. Die Angst, zu versagen, wiegt immer schwerer, je mehr die Verantwortung steigt. Um keinen Fehler zu machen, arbeiten Sie mehr und mehr, oft weit über die reguläre Arbeitszeit hinaus. Und doch ist es nicht genug. Sie fühlen sich nie sicher, haben nie das Gefühl, ausreichend vorbereitet zu sein und die Situation unter Kontrolle zu haben.

Am Anfang war es ja kein Problem. Da hat ja keiner was von mir erwartet. Da lief ich eher so unter dem Radar. Aber jetzt, wo ich schon mehrere Jahre dabei bin und als alter Hase gelte, kommen viele Kollegen mit ihren Fragen zu mir. Ich kann denen doch nicht einfach sagen, dass ich mich genauso unsicher fühle wie sie.

Ein Kunde im Coaching

Langsam schleicht sich die Erkenntnis ein: “Dieser Job ist nichts für mich. Die Verantwortung ist zu hoch. Ich bin nicht geeignet dafür.”
Oft enden diese Überlegungen in einer Kündigung, so wie bei Thomas, dessen Geschichte ich am Anfang des Artikels kurz beschrieben habe.

Kündigung ist oft der falsche Ansatz

Was Menschen mit Impostor-Syndrom jedoch nicht wissen: Sie sind durchaus geeignet für ihren Job, haben die erforderliche Kompetenz, sind zuverlässig und erfahren. Alle anderen können das auch erkennen: sowohl die Kollegen, die häufig um Rat bitten, als auch die Vorgesetzten, die ihnen immer mehr Verantwortung übertragen. Nur die Betroffenen selbst nicht. Und so haben sie oft einen längeren Leidensweg mit vielen schlaflosen Nächten und mehreren beruflichen Wechseln hinter sich, bis sie das Problem endlich dort anpacken, wo es nötig ist: Sie brauchen keinen neuen Job. Sie brauchen auch nicht die zehnte Fortbildung oder den dritten Abschluss. Sie brauchen stattdessen einen realistischeren Blick auf sich selbst.

Wir können nicht im Außen lösen, was im Inneren gelöst werden muss

Ist es also grundsätzlich falsch, zu kündigen, wenn ich unter dem Impostor-Syndrom leide und mich auf der Arbeit überfordert fühle? Liegt es also immer an mir?

So verallgemeinernd kann man das nicht sagen, denn der Job kann ja auch tatsächlich der falsche für Sie sein. Dann macht ein Wechsel durchaus Sinn. Schwierig ist es aber, das eine vom anderen zu trennen. Denn oft wird die Bewertung des Jobs durch die Impostor-Brille vorgenommen und wäre gar nicht so negativ, wenn es keine Selbstzweifel mehr gäbe.

Aber auch wenn Sie kündigen, sollten Sie sich bewusst sein, dass Sie sich und Ihre Probleme auch in den nächsten Job mitnehmen werden. Und im schlechtesten Fall das Impostor-Syndrom noch weiter verstärken.

Karrierebremse Impostor-Syndrom

Das Impostor-Syndrom wirkt sich deutlich auf die Karriere aus: die Betroffenen bleiben sehr oft unter ihren Möglichkeiten. Sie scheuen neue Verantwortungsbereiche und bewerben sich nicht auf passende Stellen. Und wenn es doch zu einer Beförderung kommt, geraten sie in der Regel so sehr unter Druck, dass sie irgendwann kündigen oder krank werden.

Kurz und gut: Obwohl Menschen mit Impostor-Syndrom oft äußerst kompetent sind und zu Recht ausgezeichnet und gefördert werden, stehen sie sich und ihrer Karriere im Weg.

Das sind Anzeichen, dass Sie Ihrer Karriere schaden:

  • Sie haben schon mindestens einmal gekündigt, weil der Druck oder die Verantwortung im Job zu groß wurden
  • Andere trauen Ihnen deutlich bessere Positionen zu als Sie selbst
  • Sie haben schon einmal die Möglichkeit einer Beförderung ausgeschlagen

Sollte eine oder gar mehrere der Aussagen auf Sie zutreffen, sollten Sie unbedingt handeln. Sollte das Impostor-Syndrom schon mehrere Jahre bestehen und Ihre Karriere ausbremsen, so werden Sie vermutlich ein Coaching benötigen, da es in diesem Fall schwieriger ist, allein das verzerrte Selbstbild zu korrigieren. Das begleitete Impostor-Methoden-Training könnte für Sie ein guter Einstieg sein. Was ein gutes Coaching ausmacht, können Sie hier nachlesen.