4 Anzeichen, dass Sie unter dem Impostor-Syndrom leiden

Das Impostor-Syndrom bleibt lange unentdeckt

„Impostor-Syndrom? – Betrifft mich doch nicht!“

Diese Aussage höre ich von vielen Menschen. Und auch ich dachte lange so. Denn ich hatte gelesen, dass dieses Phänomen vor allem bei Menschen mit herausragenden Fähigkeiten auftritt. Dazu zählte ich mich leider nicht, und von daher war das Impostor-Syndrom für mich irrelevant. Bis ich erst viel später herausfand, dass ich eben doch betroffen bin.

So wie mir geht es vielen. Vielleicht auch Ihnen?

Weil wir oft nicht wissen, dass wir betroffen sind, habe ich in diesem Artikel 4 typische Aussagen gesammelt, die auf das Impostor-Syndrom hinweisen. Sätze, die ganz harmlos wirken, aber dennoch die verzerrte Denkweise zeigen, unter der Menschen mit Impostor-Syndrom leiden.

Wundern Sie sich nicht, wenn diese Sätze auch Ihnen bekannt vorkommen.

Impostor-Anzeichen Nr. 1: Ich bin hier fehl am Platz 


Marilyn fühlt sich unwohl. Es ist gerade Kaffeepause. “Gelegenheit zum Netzwerken”, wie es auf dem Plan steht. Die anderen Konferenzteilnehmer stehen in kleinen Grüppchen zusammen und sind in Gesprächen vertieft.
Was hat sie hier nur zu suchen? Die anderen sind alle elegant gekleidet, treten so selbstsicher auf und stehen ganz locker da. Sie wirken so professionell und gleichzeitig gelassen. Sie dagegen hält sich krampfhaft an ihrem Glas fest und fühlt sich so auffällig wie ein bunter Hund. Bestimmt kann man schon von weitem erkennen, wie unsicher sie ist. Peinlich!
“Irrtum”, schießt es ihr durch den Kopf. “Es ist einfach ein Irrtum, dass ich befördert worden bin und zu dieser Konferenz eingeladen wurde. Ich gehöre nicht hierher.”

Menschen mit Impostor-Syndrom sind anders. Zumindest fühlen sie sich so.

Und dieses Gefühl, nicht dazuzugehören, wirkt sich sehr stark auf ihre Wahrnehmung aus.
Statt einzelne Individuen zu sehen, die mehr oder weniger sicher auftreten, sehen Menschen mit Impostor-Syndrom alle anderen wie eine homogene Masse. Alle wirken selbstbewusst. Alle wirken souverän. Nur sie nicht. Dadurch verstärkt sich das Gefühl, ein Außenseiter zu sein und hier falsch zu sein.

Ihre Unsicherheit wollen sie krampfhaft verbergen und fühlen sich bei diesem Versuch noch mehr wie ein Hochstapler, der anderen etwas vorspielt.

Impostor-Anzeichen Nr. 2: Was denken die jetzt bloß über mich?


“Reiß dich zusammen, du stammelst!” Nico versucht, sich auf seine Gesprächspartner zu konzentrieren, aber er kann die panische Stimme in seinem Kopf nicht ausblenden. Es ist so wichtig, dass er seine Kunden überzeugen kann und dieses Projekt an Land zieht. Ängstlich huscht sein Blick über die unbewegten Gesichter der Menschen vor ihm. Sie wirken reserviert, vermutlich enttäuscht, vielleicht sogar verärgert, dass er hier so eine schlechte Performance abgibt. 

Wieder versucht Nico, die Stimme in seinem Kopf auszublenden, aber sie wird immer lauter. “Bestimmt sehen sie, dass du zitterst”, kommentiert sie. “Die halten dich doch für total unfähig.” Er verliert den Faden und läuft knallrot an. Schon wieder hat er es vermasselt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er seinen Job verliert.

Menschen mit Impostor-Syndrom haben ständig Angst, aufzufliegen. Sie sind fest davon überzeugt, nicht der, bzw. die Richtige für den Job zu sein. 

Umso mehr wollen sie beweisen, dass sie doch gut sind. Sie versuchen, die Erwartungen des anderen zu erraten und Zeichen der Unzufriedenheit möglichst früh zu erkennen, um gegenzusteuern. 

Aber die Angst zu versagen, trübt ihre Urteilsfähigkeit. Sie interpretieren neutrale Gesichtsausdrücke und normales Verhalten falsch. Wenn das Gegenüber nicht gleich erfreut lächelt oder zustimmend nickt, denken Menschen mit Impostor-Syndrom, der andere sei unzufrieden oder enttäuscht. Durch diese Fehlinterpretation verstärkt sich das Gefühl, nicht gut genug zu sein und die Erwartungen nicht erfüllen zu können.

Impostor-Anzeichen Nr. 3: Der wollte doch nur nett sein

“Hey, guter Vortrag, ich hab einiges daraus mitgenommen”.
Lena schaut ihren Kollegen ungläubig an. Meint er das ernst? Nein, bestimmt nicht. Denn schließlich hat sie wieder einmal viel zu schnell gesprochen, sich mehrmals verhaspelt und zuletzt sogar diese komplett banale Frage nicht beantworten können. 

Und da kommt nun ihr Kollege an und lobt ihren Vortrag. Will er sich vielleicht über sie lustig machen? Eigentlich ist er ja nett und in seinem Blick liegt keine Häme. 

Vermutlich versucht er, sie aufzubauen, weil er Mitleid mit ihr hat. Peinlich, dass man ihr das jetzt auch noch anmerkt, wie geknickt sie über ihre Nicht-Leistung ist. Sie ist zwar dankbar, dass er sie nicht verspottet, aber lieber wäre es ihr, wenn er ihr die Wahrheit sagen würde, was er wirklich über sie und ihre Präsentation denkt. Mit Kritik kann sie irgendwie leben. Mit diesem Mitleid nicht.

Menschen mit Impostor-Syndrom sind so von ihrer Unfähigkeit überzeugt, dass sie gegenüber Lob misstrauisch sind. Sie können nicht glauben, dass sie in Wirklichkeit einen deutlich besseren Eindruck machen, als sie denken.

Und daher erklären Sie sich positives Feedback als missglückten Versuch, sie aufzubauen oder sie zu motivieren.

Durch diese falsche Interpretation erkennen sie nicht, dass sie gut waren. Sie fühlen sich danach sogar noch schlechter, noch mehr in ihrem Denken bestätigt. 

Wenn sie ihre Erfolge nicht erkennen können, wird es jedoch schwer, daraus zu lernen und die eigene Leistung richtig einzuschätzen. So driften Fremdbild und Selbstbild immer weiter auseinander. Das Gefühl, eine Mogelpackung zu sein, wird immer stärker.

Impostor-Anzeichen Nr. 4: Das müsste ich schon längst können

Thomas wälzt sich im Bett. Morgen ist sein Urlaub vorbei und die Arbeit geht wieder los. Er hat schon jetzt Angst davor, seine E-Mails zu öffnen. Welche Fragen und welche Aufgaben werden dann auf ihn warten? Wird sein Chef, wie schon vor dem Urlaub angedroht, ihm wirklich die verantwortungsvolle Projektleitung übertragen? Er kann das doch gar nicht.

Nur weil er jetzt schon seit 3 Jahren im Geschäft ist und somit als “alter Hase” gilt, denken alle, er habe genug Erfahrung und ausreichend Wissen. Immer mehr Verantwortung lastet auf ihm. Dabei fühlt er sich noch genauso unsicher wie am ersten Tag. Eigentlich ist die Unsicherheit sogar noch schlimmer geworden, denn vor 3 Jahren waren die Erwartungen viel geringer. Wie soll er das alles bloß schaffen, ohne alle zu enttäuschen?

Menschen mit Impostor-Syndrom wachsen nicht an ihren Aufgaben. Im Gegensatz zu Menschen ohne das Hochstapler-Syndrom gewinnen sie nicht an Sicherheit, je länger sie in einem Job sind. Der Druck wird immer größer, denn die Erwartungen steigen und die Tätigkeiten werden komplexer. Dass sie genug Erfahrung haben und längst schon Experten in ihrem Bereich sind, haben sie aber nicht verinnerlicht. Denn sie konnten aus ihren Erfolgen nicht lernen und somit kein Selbstvertrauen aufbauen.

Sie fühlen sich immer noch als blutige Anfänger und warten nur darauf, dass irgendwann die Fassade bröckelt und alle erkennen werden, wie wenig sie doch wissen.

Das Impostor-Syndrom ist nichts, wofür wir uns schämen müssten

Wenn Sie sich in mehreren dieser Gedankengänge wiederfinden, habe ich eine gute Nachricht für Sie:

Ihre vermeintliche Unfähigkeit und Ihre Überzeugung, nicht gut genug zu sein, sind sehr wahrscheinlich gar nicht wahr. Sie sind lediglich eine Folge falscher Beobachtungen und falscher Interpretationen.

Und dagegen können Sie etwas tun.

Impostor-Syndrom heißt nicht lebenslänglich  – Sie können etwas dagegen tun

Auch wenn Sie vielleicht glauben, allenfalls durchschnittlich zu sein und mit diesem Mangel an Talent leben zu müssen, stimmt das nicht. Denn in Wirklichkeit steckt das Problem nicht in Ihrer Veranlagung und nicht in Ihrer Persönlichkeit, sondern in Ihrem Kopf.

Sie können gegen das Impostor-Syndrom anarbeiten. Mit den richtigen Techniken und der passenden Unterstützung werden Sie erkennen, dass Sie gut – vermutlich sogar sehr gut – sind. 

Mit einem realistischen Selbstbild fällt es sehr viel leichter, sich einer Peergroup zugehörig zu fühlen, gelassen mit Herausforderungen umzugehen und die eigenen Erfolge auch anzuerkennen.

Als ersten Schritt sollten Sie abklären, ob Sie auch tatsächlich vom Hochstapler-Syndrom betroffen sind. In meinem Artikel “Habe ich das Impostor-Syndrom” finden Sie dazu 3 Screening-Fragen und mehrere Hinweise, was Sie für eine aussagekräftige Testung beachten sollten.

Ich biete auch eine eingehende psychologische Testung + Erstberatung an. Dann haben Sie Klarheit, wie sehr das Impostor-Syndrom Sie beeinträchtigt und was für Sie die nächsten Schritte sein könnten.

Falls sich der Verdacht bestätigt, haben Sie endlich herausgefunden, was die Ursache Ihrer Selbstzweifel ist. Sie können lernen, Ihre verzerrte Wahrnehmung zu verändern und falsche Interpretationen zu hinterfragen. Mit regelmäßigem Training und dem richtigen Ansatz können Sie schon innerhalb weniger Monate eine sichtbare Verbesserung erzielen.

Also gehen Sie es an. Sie haben sich die längste Zeit klein, falsch und unsicher gefühlt. Nun können Sie etwas dagegen tun.

Dabei wünsche ich Ihnen viel Erfolg!