Habe ich das Impostor-Syndrom?

Oft finden die Betroffenen erst spät heraus, was los ist

Als B. zu mir ins Coaching kam, hatte die Projektmanagerin schon einen langen Leidensweg hinter sich. Seit Beginn ihrer Ausbildung litt sie unter starken Selbstzweifeln und der Sorge, die Anforderungen des Jobs nicht erfüllen zu können. Mit jedem Jobwechsel wurden der Druck größer und das Selbstvertrauen kleiner. Sie arbeitete bis in die Nacht hinein an ihren beruflichen Projekten, schlief kaum mehr, und konnte dennoch ihre Aufgaben nicht mehr termingerecht abschließen, da sie komplett blockiert war. Schließlich wurde sie von ihrem Hausarzt krank geschrieben. Nichts ging mehr.

Als sie dann zufällig über einen Zeitungsartikel auf das Impostor-Syndrom und auf mich aufmerksam wurde, war das für sie wie eine Erlösung. “Endlich habe ich etwas, wo ich ansetzen kann. Endlich habe ich jemanden, der mir helfen kann.”

So wie B. ergeht es vielen: Obwohl das Impostor-Syndrom immer bekannter wird, finden die Betroffenen erst spät heraus, was mit ihnen los ist.

Die Entdeckung führt oft zur Erleichterung: endlich können sie einschätzen, was mit ihnen nicht stimmt. Sie haben dann Handlungsmöglichkeiten und können besser verstehen, warum sie immer wieder von Versagensängsten geplagt werden, während andere ihnen so viel mehr zutrauen.

Daher sollten Sie, wenn Sie unter zunehmendem Leistungsdruck und Selbstzweifeln leiden, möglichst rasch abklären lassen, ob eventuell auch Sie vom Impostor-Syndrom betroffen sind. Sie können dadurch den Leidensweg abkürzen und frühzeitig gegensteuern.

Wie wird das Impostor-Syndrom festgestellt?

Es gibt mehrere Fragebögen, die Auskunft darüber geben, ob ein Impostor-Syndrom vorliegt.

Der bekannteste und gebräuchlichste ist der CIPS (Clance Impostor Phenomenon Scale), ein von Pauline Clance entwickelter Test aus 20 Items, der auch in deutscher Übersetzung vorliegt. In der Forschung zum Impostor-Syndrom wird dieser Test sehr häufig verwendet und ist daher gut untersucht. Auch ich verwende ihn regelmäßig, z.B. als einen Bestandteil meiner Impostor-Analyse oder auch als Verlaufskontrolle während eines Coachings.

Nicht ganz so gebräuchlich, doch ebenfalls sehr verlässlich ist der HIPS (Harvey Impostor Phenomenon Scale), ein Test aus 14 Items, der aber aktuell noch nicht in deutscher Übersetzung vorliegt.

Von Sonja Rohrmann et al. wurde zudem 2020 der ISF (Impostor Selbstkonzept Fragebogen) entwickelt, ein Test aus 15 Items, der in deutscher Sprache vorliegt.

Sollte sich jede/r auf das Impostor-Syndrom testen lassen?

Je früher ein Impostor-Syndrom entdeckt wird und unter Kontrolle gebracht wird, desto weniger Schaden kann es anrichten. Die Wahrscheinlichkeit, ein Impostor-Syndrom schon frühzeitig mit Hilfe eines Tests zu erkennen, ist also durchaus gegeben und der Nutzen dadurch hoch.

Zudem ist die Häufigkeit der Betroffenen sehr groß. Es wäre also sinnvoll, wenn sich möglichst viele Menschen testen lassen würden. Allerdings mag nicht jede/r gleich einen umfangreichen Fragebogen ausfüllen.

Sinnvoll ist es daher, zunächst mit Hilfe von Screeningfragen die Menschen zu identifizieren, bei denen mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Impostor-Syndrom vorliegt, und diese dann mit einem der gängigen Impostor-Fragebögen ausführlicher zu testen.

3 kurze Fragen für den schnellen Überblick

Eine erste grobe Einschätzung, ob das Impostor-Syndrom vorliegen könnte, erhalten Sie bereits, wenn Sie diese drei Screeningfragen beantworten:

  • Haben Sie immer wieder das Gefühl, nicht gut genug zu sein, und befürchten, dass das irgendwann auch anderen auffallen könnte?
  • Werden Ihre Versagensängste im Verlauf und mit zunehmenden Erfolgen eher stärker als besser?
  • Denken Sie, dass Sie Ihre Erfolge und die Anerkennung von anderen gar nicht verdient haben, weil Sie eigentlich nur Glück hatten?

Sollten Sie zwei oder gar drei der Fragen mit “Ja” beantwortet haben, so besteht eine realistische Chance, dass Sie endlich die Handbremse gefunden haben, die verhindert, dass Sie im Job Zufriedenheit finden und sich erfolgreich fühlen.

In diesem Fall empfehle ich Ihnen, sich genau über das Impostor-Syndrom zu informieren und abklären zu lassen, ob es auch bei Ihnen vorliegt.