Selbstzweifel als Chef –

Wie kann ich eine gute Führungskraft sein?

Als ich 2017 Oberärztin wurde, gingen meine Selbstzweifel erst richtig los: Ich fühlte mich in der neuen Rolle völlig unsicher: Was denken die anderen über mich? Kann ich die Erwartungen erfüllen, die jetzt an mich gestellt werden? Bin ich zu streng oder zu lasch? Wie sollte ich überhaupt sein? 

Ich hatte ein völlig falsches Bild von mir als Führungskraft. Ein Bild, dem ich nicht entsprach und eigentlich auch nicht entsprechen wollte. Kein Wunder, dass ich lange glaubte, keine gute Führungskraft zu sein. 

 

Jede 2. Führungskraft leidet unter dem Impostor-Syndrom

Laut einer Studie von Sonja Rohrmann leidet etwa jede zweite Führungskraft unter dem Impostor-Syndrom. Eine beachtliche Zahl, die aber durchaus nachvollziehbar ist. Denn je höher man auf der Karriereleiter steigt, desto größer wird in der Regel die Angst zu versagen. Die Verantwortung wächst und mit ihr der Erfolgsdruck und die Erwartungen, die an uns gestellt werden. 

Wenn wir dann noch unter Selbstzweifeln leiden und unsere Fähigkeiten nicht richtig einschätzen können, wird die neue Aufgabe besonders schwierig. Genau das ist beim Impostor-Syndrom der Fall: Die Betroffenen unterschätzen ihre eigenen Fähigkeiten und überschätzen die Erwartungen, die an sie gestellt werden. Deshalb haben sie das Gefühl, keine gute Führungskraft zu sein und ihren Job nicht verdient zu haben. 

Kein Wunder also, dass Menschen mit Impostor-Syndrom irgendwann auf der Karriereleiter an die Grenzen ihrer Belastbarkeit stoßen und das Impostor-Syndrom immer stärker wird.

Neue Führungskraft: Isolation und Unsicherheit

Selbst mit einem normalen Selbstwertgefühl und einem realistischen Selbstbild ist der Weg zur Führungskraft nicht einfach, unabhängig davon, ob es sich um einen Aufstieg innerhalb desselben Unternehmens oder um einen Stellenwechsel für die erste Führungsposition handelt.

 

Karriere im gleichen Unternehmen: Vom Mitarbeiter zur Führungskraft

Wenn wir befördert werden, verlassen wir unsere ursprüngliche Peergroup. Waren wir vorher auf Augenhöhe, sind wir plötzlich unseren Kollegen gegenüber weisungsbefugt. Diese Veränderung ist nicht leicht zu verkraften und wird oft als Verlust empfunden. Wir fühlen uns auf einmal isoliert und ausgegrenzt. 

Nicht nur wir, sondern auch unsere Kolleginnen und Kollegen müssen umdenken und uns als Vorgesetzte anerkennen, obwohl sie uns schon lange kennen und teilweise sogar vor uns im Unternehmen waren. Es ist eine große Herausforderung, unter diesen Bedingungen den eigenen Führungsstil zu finden und sich nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich zur Führungskraft zu entwickeln.

 

Wechsel des Unternehmens: Plötzlich ist alles neu

Wenn wir dagegen als neue Führungskraft in ein anderes Unternehmen kommen, haben wir das Problem, dass uns alles fremd ist. Nicht nur die Menschen, sondern auch ungeschriebene Gesetze, Firmenwerte und Handlungsabläufe. 

Die ersten 100 Tage als Führungskraft sind besonders schwer. Wir denken, wir sollten schon alles wissen und müssen doch ständig nachfragen. Zudem haben wir als Neue noch keine tragfähigen Beziehungen aufgebaut. Während man uns in der alten Position schon kannte und einschätzen konnte, müssen uns die anderen erst kennenlernen – und umgekehrt. 

Die Unsicherheit und der Druck, sich schnell bewähren zu müssen, sind in dieser Situation besonders groß.

Mit dem Impostor-Syndrom wird der Übergang zur Führungskraft noch schwieriger

Der Wechsel in eine Führungsposition ist also generell schon eine Herausforderung. Noch schwieriger wird es, wenn man das Gefühl hat, für die neue Position nicht ausreichend gerüstet zu sein. 

Menschen mit Impostor-Syndrom glauben oft, dass sie nicht aufgrund ihrer Leistung befördert wurden, sondern die Stelle nur durch Glück oder Sympathie bekommen haben. Sie können daher nicht verstehen, dass gerade sie diese verantwortungsvolle Position erhalten haben. Solange sie aber nicht erkennen, dass nicht Glück oder ein Irrtum die Ursache waren, sondern sie durch Leistung überzeugen konnten, werden sie sich in der neuen Position falsch und unfähig fühlen.

Besonders herausfordernd wird es, sich mit der neuen Rolle als Führungskraft zu identifizieren, wenn wir überzogene Vorstellungen davon haben. So ging es mir damals: Ich hatte so viele Klischees im Kopf, wie eine Oberärztin reden und handeln sollte, dass ich mir nicht vorstellen konnte, diese Position gut auszufüllen.

Was macht eine gute Führungskraft aus?

Was ist der richtige Führungsstil? Was sind Eigenschaften einer guten Führungskraft? Und was sollte ich auf jeden Fall vermeiden, um nicht als schlechte Führungskraft zu gelten?

Diese Fragen beschäftigen jede neue Führungskraft. Viel zu oft schätzen wir unsere neue Rolle falsch ein. Wir versuchen dann einem Ideal hinterherzulaufen, dass wir gar nicht erreichen können. Und werden dabei immer unsicherer und gestresster.

Vor allem 4 grundlegende Irrtümer über die neue Rolle als Führungskraft, führen dazu, dass wir an uns zweifeln und uns überfordern.

 

Irrtum Nr. 1: Als gute Führungskraft muss ich durchsetzungsstark sein und mich gut verkaufen

Das ist ein weit verbreiteter Irrtum, der es gerade Menschen mit Impostor-Syndrom schwer macht, in die neue Aufgabe hineinzuwachsen. Denn mit dem Impostor-Syndrom fühlen wir uns ohnehin schon als Hochstapler. Wenn wir dann noch ständig das Gefühl haben, zu schwach und zu schüchtern zu sein, verstärken wir das Gefühl, in der neuen Führungsrolle falsch zu sein.

In Wirklichkeit ist der autoritäre Führungsstil, dem wir hinterherlaufen, schon längst überholt. Viel mehr erreichen wir mit einem demokratischen Führungsstil und einem menschlichen Auftreten. Eine moderne Führungskraft zeichnet sich durch Empathie aus, sie tritt verständnisvoll auf, fördert ihre MitarbeiterInnen und hat ihr Vertrauen. Das Bild eines strengen, kontrollierenden und autoritären Chefs können Sie also getrost vergessen.

 

Irrtum Nr. 2: Eine gute Führungskraft muss in allem Experte sein

Das ist oft die größte Umstellung, wenn wir befördert werden und Führungsverantwortung übernehmen: Denn vorher waren wir Experten auf unserem Gebiet. Als Führungskraft ist aber etwas anderes wichtig: Statt nur einen kleinen Bereich fachlich zu beherrschen, müssen wir nun ein viel größeres Feld überblicken. 

Deshalb ist es  normal und auch notwendig, dass die Mitarbeitenden in ihrem Fachbereich mehr wissen als die Führungskraft. Denn diese hat andere Aufgaben. Sie geht nicht in die Tiefe, sondern in die Breite und behält den Überblick.
Wenn ein Mitarbeiter daher mehr weiß als Sie, ist das kein Beweis für Ihre Unfähigkeit, sondern der neuen Rolle geschuldet.

 

Irrtum Nr. 3: Eine gute Führungskraft darf nicht zweifeln und keine Schwäche zeigen

Menschen mit dem Impostor-Syndrom sind in der Regel sehr unsicher. Wenn sie das Gefühl haben, diese Unsicherheit überspielen zu müssen, weil dies von einer guten Führungskraft erwartet wird, fühlen sie sich ständig falsch. Je länger sie versuchen, ihre Unsicherheit zu verbergen, desto größer wird die Angst, diese Fassade irgendwann nicht mehr aufrechterhalten zu können.

Dabei ist es menschlich, auch als Führungskraft Unsicherheiten mit der neuen Rolle zu zeigen. Gehen wir offen mit unseren anfänglichen Schwierigkeiten um, werden wir nahbarer und es fällt den Mitarbeitenden leichter, uns zu vertrauen. Das gegenseitige Vertrauen und eine offene Kommunikation sind wichtige Grundlagen für einen kooperativen Führungsstil. Zudem ist es für die neue Führungskraft ungemein entlastend, wenn sie nicht ständig das Gefühl hat, anderen etwas vorspielen zu müssen. 

 

Irrtum Nr. 4: Eine gute Führungskraft gibt immer 120%

“Wenn ich jetzt mehr Geld bekomme, muss ich auch mehr leisten”, so denken viele Menschen mit Impostor-Syndrom. Da sie ohnehin das Gefühl haben, ihren Job und ihr Gehalt nicht verdient zu haben, wollen sie ihre vermeintlichen fachlichen Schwächen durch Fleiß und Einsatz kompensieren. So neigen sie immer mehr dazu, sich selbst zu überfordern und viel zu viele Überstunden anzusammeln.

Dabei vergessen sie aber, dass sie dieses Arbeitspensum nicht auf Dauer durchhalten können. Wer seine Leistungsgrenze dauerhaft und deutlich überschreitet, wird irgendwann krank und fällt aus. Gute Führungskräfte sollten auch Vorbild für einen gesunden Umgang mit Anforderungen sein. Denn den Mitarbeitenden fällt es leichter, auf sich selbst zu achten und Belastungsgrenzen nicht zu überschreiten, wenn die Führungskraft dies auch tut.

Gerade in Zeiten, wo berufsbedingter Burnout zu immer längeren Fehlzeiten führt, ist es wichtig, dass sich weder Führungskraft noch Mitarbeitende zu stark überfordern.

Kann ich trotz Impostor-Syndrom eine gute Führungskraft werden?

Solange wir solche Fehleinschätzungen über die Führungsrolle im Kopf haben, haben wir es schwer: Die Selbstzweifel werden immer größer und wir gehen weit über unsere Belastungsgrenzen hinaus. Das kann in manchen Fällen bis zum Burnout führen. Oder wir kündigen, weil die Anforderungen zu hoch sind. Und das ist schade. Denn Menschen mit Impostor-Syndrom können richtig gute Führungskräfte werden.

Da beim Impostor-Syndrom die Meinung anderer sehr wichtig ist, haben die Betroffenen oft gute Antennen dafür, was andere Menschen fühlen und brauchen. Sie sind daher in der Lage, die Bedürfnisse der Mitarbeiter zu erkennen und darauf einzugehen. Zudem sind sie aufgrund ihrer eigenen Unsicherheit sehr verständnisvoll gegenüber Fehlern. Dies sind ideale Voraussetzungen, um eine konstruktive Fehlerkultur aufzubauen und Mitarbeiter zu motivieren. 

Menschen mit Impostor-Syndrom sehen zwar ihre eigenen Fähigkeiten nicht, dafür aber die Fähigkeiten anderer sehr gut. So können sie ihre Mitarbeiter gezielt fördern und in Bereichen einsetzen, in denen sie glänzen können. 

Voraussetzung ist allerdings, dass die negativen Aspekte des Impostor-Syndroms (Scham über eigene Fehler, negative Vergleiche mit anderen, zu hohe Anforderungen an sich selbst) in den Griff bekommen werden.

Das sollten Sie beachten, um eine gute Führungskraft zu werden

 

  • Keine Kopie sondern das Original

Verändern Sie zunächst Ihr Bild von einer guten Führungskraft. Fragen Sie sich dazu, welche Führungskraft Sie selbst gerne gehabt hätten und welche Eigenschaften Sie an Ihren bisherigen Führungskräften geschätzt haben.  Überlegen Sie sich auch, welche Werte Sie haben und wie Sie diese als Führungskraft vertreten können. Entwickeln Sie aus diesen Überlegungen Ihre neue Führungsrolle und legen Sie fest, wie Sie als Führungskraft sein möchten und welchen Führungsstil Sie vertreten möchten.

 

  • Nicht immer die Nummer 1

Wenn wir an uns selbst zweifeln, vergleichen wir uns allzu oft mit anderen. Wenn jemand besser ist als wir, geraten wir unter Druck, weil wir das fast schon als Beweis für unsere eigene Unfähigkeit sehen.

Überdenken Sie also Ihre Einstellung, wenn Sie eine Führungsposition übernehmen: Sie sind nicht dazu da, um in allen Bereichen der oder die Beste zu sein, sondern um die Stärken jedes Einzelnen zu fördern und die Aufgaben so zu verteilen, dass das Team optimale Leistungen erbringt. Denken Sie also nicht kompetitiv, sondern kooperativ.

 

  • Manchmal muss man auch mal nicht gefallen 

Menschen mit Impostor-Syndrom sind ideale People-Pleaser. Sie legen großen Wert auf die Meinung anderer und möchten am liebsten von allen gemocht werden.
Diese Einstellung führt meist dazu, dass ein demokratischer Führungsstil gelebt wird, der sich positiv auf die Teamentwicklung und deren Ergebnisse auswirkt.
Allerdings muss eine Führungskraft auch manchmal klar Stellung beziehen, vor allem dann, wenn bei Teamentscheidungen kein Konsens erzielt werden kann. 

Haben Sie keine Angst vor Konflikten und scheuen Sie sich nicht, auch einmal ein Machtwort zu sprechen. Sie machen sich damit nicht sofort unbeliebt. Vielmehr entlastet es Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn Sie Ihre Führungsrolle ernst nehmen und an der richtigen Stelle Grenzen setzen.

 

  • Fehler sind notwendig

Auch Sie werden Fehler machen, vor allem, wenn Sie noch neu als Führungskraft sind. Schämen Sie sich nicht für diese Fehler, sondern sehen Sie sie als notwendig an, um daraus zu lernen und besser zu werden.
Sie können nur dann eine gute Fehlerkultur in Ihrem Team etablieren, wenn Sie selbst mit gutem Beispiel vorangehen und sich nicht ständig Vorwürfe für Ihre Fehler machen.
Wenn Sie sich stattdessen ständig für Fehler entschuldigen, vermitteln Sie eher den Eindruck, dass Fehler problematisch sind. Gehen Sie bei Fehlern also mit sich selbst genauso konstruktiv um, wie Sie das bei Ihren Mitarbeitern tun.

Fazit

Der Schritt zur Führungskraft ist nicht einfach. Selbstzweifel machen diesen Karriereschritt zu einer großen Herausforderung, die zu Überforderung führen kann. Falsche Vorstellungen darüber, was von einer guten Führungskraft erwartet wird, können die Selbstzweifel noch verstärken. Das Impostor-Syndrom ist daher bei Führungskräften sehr häufig anzutreffen.

Durch ihre Fähigkeit, die Bedürfnisse und Stärken anderer zu erkennen, können gerade Menschen mit dem Impostor-Syndrom sehr gute Führungskräfte werden. Sie müssen jedoch lernen, mit Wissenslücken und Fehlern umzugehen und diese nicht als Beweis ihrer Unfähigkeit zu sehen.

Falls Sie sich mit der Rolle als Führungskraft noch überfordert fühlen und noch keine innere Sicherheit erlangt haben, kann Ihnen ein Coaching helfen. Mit meinem Impostor-Jobcoaching helfe ich Ihnen, Ihre Selbstzweifel zu überwinden, die neuen Aufgaben einer Führungskraft zu meistern und sich sowohl fachlich wie auch in Ihrer Führungsrolle immer sicherer zu fühlen.