Die wichtigsten Impostor-Irrtümer
Die wichtigsten Impostor-Irrtümer
Haben Sie auch schon vom Impostor-Syndrom gehört? Kein Wunder, denn es wird immer mehr darüber berichtet. Aber nicht immer wird dieses Phänomen korrekt beschrieben. Bereits aus dem Namen lassen sich falsche Schlüsse ziehen.
Hier erfahren Sie, worum es beim Impostor-Syndrom wirklich geht, und was die drei häufigsten Irrtümer dazu sind.
Impostor-Syndrom – über 45 Jahre alt und moderner als je zuvor
In den 1970er Jahren wurde dieses Phänomen erstmals von Pauline Clance beschrieben. Die Psychologin hatte bestimmte Denkmuster bei zahlreichen Studierenden beobachtet, die sie von sich selbst kannte: Zweifel an der eigenen Kompetenz, das Gefühl, den Studienplatz gar nicht verdient zu haben, sowie Angst, das Studium nicht zu schaffen. Das Erstaunliche dabei war aber: Diese Sorgen wurden vor allem von denjenigen geäußert, die exzellente Noten schrieben und gar keinen Grund für Ihre Versagensängste hätten haben müssen. Clance beschrieb die betroffenen Personen mit folgenden Worten:
Nur selten erfahren sie die Freude, die Befriedigung und das Gefühl der Erfüllung, das sich normalerweise mit dem Erfolg einstellen müsste. […] “Was ich auch tue – es ist nicht genug. Ein wirklicher Erfolg wird mir nie zuteil”, denken sie. Sie schämen sich ihrer Zweifel und halten ihre Empfindungen gewöhnlich geheim.
Pauline Clance
Die Psychologin forschte weiter und beschrieb das Phänomen 1978 erstmals in ihrem Artikel “The imposter phenomenon in high achieving women: Dynamics and therapeutic intervention”. Sie gab ihm den Namen “Imposter-Phenomenon”, benannt nach der Angst, irgendwann aufzufliegen und als völlig unfähig entlarvt zu werden. Im Deutschen sprechen wir im Allgemeinen vom Impostor-Syndrom beziehungsweise vom Hochstapler-Syndrom.
Typisch für das Impostor-Syndrom sind:
- Die feste Überzeugung, nicht gut genug zu sein
- Bagatellisierung der eigene Erfolge und Überbewertung von Fehlern
- Angst davor, aufzufliegen und als inkompetent entlarvt zu werden
- Zunahme der Selbstzweifel, je erfolgreicher man wird
Seitdem das Hochstapler-Syndrom erstmals beschrieben wurde, wurde es mit immer stärkerer Intensität erforscht – mehr als die Hälfte der Veröffentlichungen darüber erschien in den letzten 10 Jahren. Dies zeigt, wie relevant dieses Phänomen für uns und unser Leben geworden ist.
Auch in den Medien wird es zunehmend präsenter. Allein ich bin im Jahr 2023 etwa zwanzigmal zu diesem Thema interviewt worden.
Doch obwohl fast jede/r schon einmal von diesem Phänomen gehört oder gelesen hat, gibt es vieles, was dazu falsch wiedergegeben und entsprechend auch falsch weitergegeben wird. Das fängt schon beim Namen an.
Irrtum Nr. 1: Das Impostor-Syndrom ist eine Krankheit
Die Bezeichnung „Impostor-Syndrom“ ist falsch, ein Syndrom beschreibt nämlich ein Krankheitsbild. Beim Hochstapler-Syndrom handelt es sich dagegen nicht um eine Krankheit. In den international gebräuchlichen Klassifikationen von Krankheiten (dem ICD-11 und dem DSM-5) werden Sie das Impostor-Syndrom vergeblich suchen.
Menschen mit Impostor-Syndrom sind nicht krank. Sie sind lediglich Opfer einer häufigen emotionalen Täuschung, bedingt durch Prägungen und Sozialisierung.
Was bedeutet das für Sie?
Sollten auch Sie unter dem Impostor-Syndrom leiden, so seien Sie beruhigt: Sie sind nicht krank. Sie sind auch nicht verrückt. Sie sind lediglich von einem sehr häufig vorkommenden Phänomen betroffen: Ein Phänomen, das Ihnen sehr zusetzen und Ihre Lebensqualität beeinträchtigen kann, das aber noch keinen Krankheitswert besitzt.
Bei einem Arzt oder Psychotherapeuten sind Sie daher nicht immer richtig, wenn Sie Hilfe gegen das Impostor-Syndrom suchen.
So ist es richtig:
Wenn Sie es ganz korrekt machen möchten, sprechen Sie am besten vom Impostor-Phänomen. Das ist die richtige Bezeichnung. Sie werden vermutlich der oder die einzige sein, der/die diesen Begriff verwendet. Das fälschliche “Impostor-Syndrom” ist viel bekannter. So verwende mittlerweile auch ich auf meiner Website diesen Begriff, den es eigentlich gar nicht gibt.
Irrtum Nr. 2: Beim Impostor-Syndrom geht es um Hochstapler
Die Bezeichnung Hochstapler-Syndrom ist noch aus einem weiteren Grund irreführend: Es geht dabei nicht um Hochstapler im eigentlichen Sinn. Denn das sind Menschen, die bewusst lügen und sich Jobs erschlichen haben, für die sie gar nicht qualifiziert sind.
All das trifft auf Menschen mit Impostor-Syndrom nicht zu.
Vom Impostor-Syndrom betroffen sind Menschen, die die nötigen Abschlüsse und die erforderlichen Kenntnisse haben. Die ihre eigenen Fähigkeiten unter den Scheffel stellen und die eigenen Leistungen kleinreden.
“Ich habe so Angst davor, dass man mich überschätzen könnte und dann die Erwartungen nicht erfüllen kann, dass ich es lieber in Kauf nehme, unterschätzt zu werden. Lieber positiv überraschen, als jemanden enttäuschen.”
Aussage eines Kunden im Coaching
Was bedeutet das für Sie?
Sollten Sie sich auch ab und zu wie ein Hochstapler fühlen, was beim Impostor-Syndrom normal ist, so fragen Sie sich:
- Habe ich formal die nötigen Qualifikationen, um meinen Job auszuüben?
- Habe ich meine Zertifikate rechtmäßig erhalten z.B. durch bestandene Prüfung?
- Habe ich meine Stelle nur erhalten, weil ich in meiner Bewerbung falsche Angaben bezüglich meiner Qualifikation oder meines Lebenslaufs gemacht habe?
Sollten Sie die ersten beiden Fragen mit Ja und die letzte mit Nein beantworten können, so sind Sie kein Hochstapler. Machen Sie sich das immer wieder bewusst.
So ist es richtig:
Auch wenn der Name “Hochstapler-Syndrom” dies impliziert, sind die Betroffenen keine Hochstapler, sondern vielmehr Tiefstapler. Sie haben die nötigen Kompetenzen, geben damit aber nicht an, sondern bagatellisieren ihre Leistungen eher – vor anderen, aber auch vor sich selbst.
Irrtum Nr. 3: Wer Selbstzweifel hat, leidet unter dem Impostor-Syndrom
Selbstzweifel sind ein ganz wesentliches Merkmal beim Impostor-Syndrom, aber der Umkehrschluss, dass jeder Mensch mit Selbstzweifeln automatisch vom Impostor-Syndrom betroffen wäre, ist falsch. Es gibt auch gesunde Selbstzweifel, die fast jede/r kennt, und die nichts mit dem Impostor-Syndrom zu tun haben.
Gesunde Selbstzweifel treten auf, wenn Sie etwas Neues wagen, z.B. einen neuen Job oder ein neues Projekt auf der Arbeit. Es ist dann ganz normal, unsicher zu sein. Diese Selbstzweifel werden im Laufe der Zeit ganz von allein besser und man muss nichts dagegen unternehmen.
Was bedeutet das für Sie?
Nur weil Sie sich ab und zu unter Selbstzweifeln leiden, muss nicht gleich das Impostor-Syndrom vorliegen. Warten Sie also erst einmal den Verlauf ab und lernen Sie, die gesunden von den ungesunden Selbstzweifeln zu unterscheiden.
So ist es richtig:
Behandlungsbedürftig sind nur die Selbstzweifel, die im Lauf der Zeit nicht abnehmen, sondern sogar zunehmen. Charakteristisch für das Impostor-Syndrom ist, dass die Selbstzweifel immer stärker werden, je mehr Erfolge und Anerkennung man bekommt. Dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ein Impostor-Syndrom vorliegt.
Sie sehen also, dass es einige Irrtümer und Halbwahrheiten über das Impostor-Syndrom gibt. Diese auszuräumen ist sehr wichtig, damit keine falschen Wahrheiten und demzufolge auch keine falschen Ratschläge veröffentlicht werden.
Möchten Sie mehr über das Impostor-Syndrom wissen und herausfinden, ob eventuell auch Sie betroffen sind, so finden Sie auf dieser Website Informationen darüber, wie Sie sich testen lassen können und was Sie tun können, um gegen das Impostor-Syndrom anzugehen.